Die Geschichte des Burschenvereins „Frohsinn” Biskirchen  von 1919 bis 1924

– von Matthias Diehl

Bereits im Jahre 1919, ein Jahr nach Beendigung des 1. Weltkrieges, trafen sich 19 junge Männer aus Biskirchen der Jahrgänge 1896 bis 1901 in der Gastwirtschaft Walter (Gasthaus Weber), auch „Schreinersch” genannt, um die Geselligkeit zu pflegen.

Aus dieser Gemeinschaft entstand ein Jahr später der Burschenverein „Frohsinn”. Der Verein bemühte sich speziell in kultureller Art um die Dorfgemeinschaft, indem Theaterstücke vorgeführt wurden. Schon im Jahre 1919 spielten die jungen Burschen das Volksstück „Mathilde, ein deutsches Frauenherz”. In den folgenden Jahren waren die Theaterstücke „Andreas Hofer” (1920) und „Der Fremdenlegionär” zu sehen. Nach einem solchen Drei- oder Viertakter im 3-Stunden-Programm folgte eine Posse oder ein Lustspiel. Für diese heiteren Stücke war Friedrich Ambrosius verantwortlich. In den Volksstücken „Wilhelm Tell” und „Der Fremdenlegionär” spielte Wilhelm Sander die Hauptrollen.

Stattgefunden haben die Theaterabende im 147 Mann fassenden Saal bei „Schreinersch”. Auch bei Wiederholungsaufführungen war der Saal meist bis auf den letzten Platz besetzt. Jährlich zweimal, so berichtete Wilhelm Sander, im März und im November, wurde Theater gespielt. Das war schon eine Attraktion, denn Fernsehen war noch ein Fremdwort und sonstige Unterhaltungsmöglichkeiten (Disco etc.) waren auch noch nicht bekannt.

Auswärtige Veranstaltungen besuchte der alte „Frohsinn” gewöhnlich nicht. Eine Ausnahme dürfte ein Festbesuch in Winkels sein, an dem der „Frohsinn” im Jahre 1921 teilnahm. Mit einem Leiterwagen, den ein Niedershäuser namens Bender fuhr, erreichten die Biskirchener Burschen verspätet das Ziel. Das Publikum wartete bereits auf den großen Auftritt des Burschenvereins.

Zum Schluss des Programms trat der „Frohsinn” endlich auf und sang unter der Stabführung seines „Dirigenten” Willi Volk das „Traditionslied 217”:

„Wir sind ein festgeschlossner Bund, 
für hellen Liederklang,
und aus des Herzens tiefstem Grund
ertönt unser Sang.
Wir singen nicht um Gut und Geld
und nicht zu eitler Pracht,
nein, das was uns zusammenhält,
das ist der Töne Macht.

Wenn etwas tief im Herzen liegt,
sei´s Freude oder Schmerz,
so tönt es doch hervor im Lied
und tönet himmelwärts.
Und wie ein Bach in wilder Lust
sein eig´nes Bett sich schafft,
so tönt durch jede Menschbrust
der Töne Wundermacht.

Wir singen auf der Bergeshöh,
im hellen Sonnenschein.
Die alten Tannen friedsam stehn,
die Vögel singen drein.
Und jede Wolke zieht vorbei
und jede Sorge fällt.
Wir fühlen uns so froh und frei
in Gottes schöner Welt.

Und wenn die Sonne niederzieht
an des Gebirges Rand,
so tönet noch ein volles Lied
hinauf zum Sternenland.
Wir bleiben vor dem Abend nie
und war es auch der Tod.
Uns trägt ins Reich der Harmonie,
ein lichtes Morgenrot.”

Dieses Lied wurde bei allen Ausflügen und Versammlungen bis in die spätere Zeit gesungen.

Der „Frohsinn” hatte sogar ein eigenes Vereinsbanner: Um 1921/22 veranlasste Hermann Keller den Kauf eines Wimpels, der aber nur bei Zusammenkünften im Vereinslokal auf den Tisch gestellt wurde.

Als Vorsitzende wirkten damals Karl Weber und Hermann Keller. Kassierer war Hermann Werner, der ab 1924 lange Jahre für die finanziellen Belange des damaligen Arbeitergesangvereins „Sängergruß” zuständig war.

Ein beliebtes Ausflugsziel der Biskirchener Burschen war Niedershausen, wo sie oft in froher Runde anzutreffen waren. Den Nachhauseweg bewältigten sie selbstverständlich zu Fuß über die „aale Höb” (Alten Höfe) und durch die „Housbach” (Hundsbach) nach Biskirchen.

Zur damaligen Zeit trank man sehr gerne „Nordhäuser Schnaps”, „Kümmel-Rum” und vor allem Bier. Wein wurde nicht getrunken.

Mehrmals jährlich, zu Ostern, Pfingsten und an Kirmes, fanden im Dorf Tanzveranstaltungen statt, die von den Frohsinnsburschen geplant und durchgeführt wurden.

Tanzen war zur damaligen Zeit ein riesiges Vergnügen für die Jugend – im Gegensatz zur heutigen Zeit. Für die Tänzer war es auch eine kostspielige Sache, denn es wurde damals Tanzgeld erhoben.

Das, was sich der Burschenverein durch die Veranstaltungen erwirtschaftet hatte, verwendeten sie zur Finanzierung ihrer Vereinsausflüge.

Eine große Tradition hat für die Biskirchener schon immer die Kirmes um den 18. Oktober. Schon immer fanden die Kirmesveranstaltungen in den Wirtshäusern Biskirchens statt. In früheren Jahren wurde auch ein Kirmeszug aufgestellt. Als erste Zugnummer kam die Kirmeskapelle. Am rechten und linken Flügel marschierte je ein Frohsinnbursche mit weißer Schürze und einer Flasche Schnaps, um den Zuschauern am Straßebrand „einen einzuschütten”. Hinter der Kapelle und der Burschenschaft folgte die ganze Kirmesgesellschaft.

Die Inflation 1923 ermöglichte dem Burschenverein keine Durchführung der Kirmes mehr.

Ein historisches Datum in der Vereinsgeschichte des „Frohsinn” ist der 11. März 1924. An diesem Tag pflanzten die Burschen zur Erinnerung an ihre Jugendzeit als lebendes Denkmal eine Esche, die nach dem Namen des Vereins „Frohsinnsesche” genannt wurde.

Ursprünglich stand die Esche im Walddistrikt „Dauerbach”. Der Vereinsälteste und Vorsitzende des „Frohsinn”, Karl Weber (geb. 1896), holte sie dort und pflanzte sie vorerst in das Vorgärtchen seines Elternhauses in der Weilburger Straße 7.

An jenem Dienstag, den 11. März 1924, holten die Burschen das Bäumchen bei Webers (Dorfname „Schäfersch” im Garten, um es bei der Ulmbachbrücke in das bereits ausgehobene Loch einzupflanzen. Friedrich Zutt (1899-1988), der sich als Heimatdichter einen großen Namen machte, hielt die Festrede und trug ein eigenes Gedicht vor. Wilhelm Sander goß, wie er selbst berichtete, zwei „Nordhäuser” auf die Baumwurzel, um das Wachstum der Esche zu fördern.

Nach Aussagen von Wilhelm Sander wohnten der Pflanzung etwa 30 Personen bei. Im Anschluss an diesen feierlichen Akt floss bei „Schreinersch” das Bier in Strömen. Während dieser Feierstunde waren die weiblichen Anhängsel mit dabei.

Schon kurze Zeit nach der Pflanzung umsäumte eine Ruhebank die ehrenwerte Esche. Hier trafen sich die Jugendlichen und auch die Alten zum gemeinsamen Plauderstündchen. Auf der „Kurbank”, wie man sie nannte, wurde oftmals fleißig Seemannsgarn gesponnen. Deshalb sprach man auch gerne von der „Lügenbank”.

Anfangs stand noch die alte Steinbrücke rechts von unserer ehrwürdigen Frohsinnesesche. Den 2. Weltkrieg überstand sie gut. Eine zweite Brücke wurde links von ihr nach dem Kriege gebaut. Zwei Jahrzehnte später kam die Ulmbachregulierung und die malerische Steinbrücke wurde entfernt.

Noch immer stand die Esche in voller Pracht. Sie präsentierte sich im grünen Frühlingskleid und verlor im Herbst ihr goldenes Laub. Schnee, Eis, Hagel, Regen und Sturmwindgebraus sorgten für weitere Abwechslung. Aber auch der Zahn der Zeit nagte an dem Baum. Drum waren die Biskirchener Bürger besorgt um das Leben ihrer Frohsinnsesche. Am 22. Februar 1989 jedoch erfuhr die Esche seitens der städtischen Forstarbeiter eine Behandlung. Ein kranker Ast wurde entfernt und die Wunde mit künstlicher Rinde bestrichen. Somit konnte die Esche noch für viele Jahre erhalten werden.

Die neugegründete Burschenschaft machte die damals noch lebenden Wilhelm Knetsch, Karl Zutt und Wilhelm Sander zu Ehrenmitgliedern. Die nicht mehr lebenden Gründer werden aber nie so schnell in Vergessenheit geraten. Menschen mit frohem Sinn werden denen, die sie kannten in bester Erinnerung bleiben.

Ganz besonderen Dank gilt Herrn Sander, der mir (Matthias Diehl) und Mario Zutt am 1. März 1989 so manche heitere und besinnliche Begebenheit zur Geschichte des Frohsinns in Biskirchen erzählt hatte. Wilhelm Sander überreichte dem neuen Burschenverein das alte Kassenbuch von 1920/21. Dieses einzige noch erhaltene Dokument des alten Frohsinns wird nun in höchsten Ehren gehalten.

Die Gründungsmitglieder des Burschenvereins „Frohsinn” und deren Geburtsjahre:

Karl Weber (16.12.1896), Wilhelm Lichert (1896), Wilhelm Fischer (1897), Friedrich Ambrosius (2.2.1897), Hermann Sturm (1898), Albert Hennche (1898), Hermann Zutt (1898), Hermann Werner (1898), Richard Karl (1898), Hermann Keller (1898), Wilhelm Knetsch (1899), Friedrich Fischer (1899), Theodor Fischer (1899), Wilhelm Zutt (1899), Friedrich Zutt (30.9.1899), Willi Volk (1900), Wilhelm Zech (1901), Albert Keller (1901), Karl Zutt (1901), Wilhelm Sander (1901).

Burschenschaft „Frohsinn” (nach der Wiedergründung 1988)

Nach langen Jahren der Abstinenz kam erstmals im Jahre 1988 der Gedanke der Wiedergründung des Burschenvereins „Frohsinn” auf. Aus diesem Grund trafen sich am 29. Juli 1988 neun junge Männer aus Biskirchen an der Grillhütte „Am Hain”. Hier wurde der Grundstein für den wiedergegründeten „Frohsinn” gelegt.

Ziel sollte es unter anderem sein, alte Bräuche wieder aufleben zu lassen und sie zu pflegen. Zur Kirmes 1988 wurden Kirmesbäume an den drei Biskirchener Gaststätten aufgestellt. Weitere Taten folgten, so die Ernennung der noch lebenden Gründer des alten „Frohsinns” zu Ehrenmitgliedern, Säuberungsaktionen an der alten „Frohsinnsesche”, sowie das Mitwirken beim Aufstellen des Maibaumes in Zusammenarbeit mit dem Gesangverein und de Damengymnastikgruppe der TSG Biskirchen. In einer Gedenkfeier am 11. März 1989 wurde der Pflanzung der „Frohsinnsesche” vor 65 Jahren gedacht.

Bei geselligen Zusammenkünften wurde neben lustigen Gesprächen auch kräftig gesungen. Das Sangesgut wurde in den Reihen der jungen Burschen besonders gepflegt. Der wieder ins Leben gerufene „Frohsinn” zählt mittlerweile 74 Mitglieder (Stand: Januar 2005).

Möge dieser geschichtsträchtige Verein einen würdigen Platz in der Biskirchener Gemeinschaft finden und noch regen Zuwachs erhalten.

 

Mario Zutt schreibt:

Gemeinschaft wurde in Biskirchen schon immer gerne gepflegt. So bestand im Jahre 1901 eine Vereinigung „Immergrün”, der 13 Mitglieder angehörten, welche im damaligen Gasthaus Lotz (heute „Zur Grünen Au”) manch gesellige Runde pflegten. Auch eine Geselligkeitsvereinigung „Concordia” (lat. Einigkeit, Einklang, Harmonie) und eine Burschenschaft „Eintracht 1922” sind aus dieser Zeit bekannt geworden.

Die jungen Burschen und Mädchen wussten auch noch zu feiern, nachdem der Burschenverein „Frohsinn” nach 1925 offiziell nicht mehr bestand. Insbesondere nach dem 2. Weltkrieg, als die größte Not vorüber war und die Leute nach langen Jahren der Entbehrungen wieder Lust bekamen einem vergnügten Leben nachzugehen, wurde Geselligkeit ganz groß geschrieben. Damals sprach man auch von der „Burschenschaft”, wenn die Kirmes gefeiert wurde. Die Kirmesburschen nahmen die Vortanzversteigerung vor, organisierten den Kirmeszug, kassierten den Eintritt und das „Tanzgeld”. Desweiteren waren sie für die „Tanzordnung” zuständig, was oft recht schwierig war. Der relativ kleine Saal bei „Schreinersch” konnte die vielen Besucher kaum aufnehmen. So blieb wenig Platz für die Tanzfläche übrig. Die Tanzpaare mussten sich deshalb anstellen! Die Kirmesburschen zählten dann soviele Paare, die auf die Tanzfläche passten, ab. Die anderen Tanzwilligen mussten bis zum nächsten Tanz warten.

Ausserdem postierten sich die Kirmesburschen um die Tanzfläche herum, damit niemand „hineintanzte”, d.h. dass sich keine Paare ohne vorheriges Anstellen auf die Tanzfläche begaben. Je nach Stimmung und Alkoholeinwirkung lief das begreiflicherweise nicht immer ganz reibungslos ab. Denn wer wollte schon (damals) eine halbe Stunde zum Tanzen anstehen und wer hätte umgekehrt es stillschweigend geduldet, wenn andere „hineintanzen”, während man selbst so lange geduldig gewartet hatte?!

Die Kirmesburschen mussten auch seinerzeit die „Blaskapelle” bezahlen und verköstigen, sowie die Musiker zum Teil zur Übernachtung mit nach Hause nehmen. Die Musikanten, welche meistens aus Weilburg, Löhnberg und anderen Orten im Oberlahnkreis stammten, hatten oft keine Gelegenheit Sonntagnacht nach Hause und am Montagmorgen zum Frühschoppen wieder da zu sein.

Es waren schöne und stimmungsvolle Kirmesveranstaltungen, die von der sogenannten „Burschenschaft” durchgeführt wurden. Doch im Laufe der Jahre wurde dies immer weniger. Es fand bald kein Kirmeszug mehr statt. Es gab keinen Vortanz mehr, Verlosungs- Schieß- und Verkaufsstände waren kaum noch vorhanden und zuletzt blieben von der traditionsreichen „Biskirchener Kirmes” nur noch eine Samstagabend-Tanzveranstaltung und ein Frühschoppen am Sonntag.

Am 29. Juli 1988 erweckten die Biskirchener Thorsten Seewald, Markus Klose, Markus Scharf, Wolfram Pauli, Torsten Scharf, Jörg Sturm, Alexander Werner und Mario Zutt die Burschenschaft „Frohsinn” wieder zu neuem Leben. Ausser der Pflege von altem Brauchtum, welches vom neuen „Frohsinn” u.a. in einer Satzung verankert ist, sind die Burschen ständig bemüht neue Aktivitäten in Biskirchen zu setzen.

Auf der »Kurbank« an der »Frohsinnsesche« (gefällt am 9. April 2002) sitzen von links nach rechts Gerda Weber, Erika Hardt (verh. Sturm) und Gisela Schäfer (verh. Scheuermann). Im Hintergrund die Schafherde vom »Schäfer-Robert« und der Schuppen von Heinrich Gruber.

Vor dem Fällen der historischen Frohsinnsesche am 9. April 2002 wurde nochmals der Pflanzung am 11. März 1924 gedacht und Heimatdichter Willi Müller trug dabei dieses schöne Gedicht vor. 

Den Frohsinn hatten sie im Sinn 
und pflanzten drum ein Bäumchen hin, 
im Unterdorf ist es geschehen, 
den Baum wir jetzt als Denkmal sehen.
In Schippers Garten wuchs er auf, 
dann nahm das Schicksal seinen Lauf, 
die Burschenschaft, ein froher Kreis, 
hatte Gefallen an dem Reis.
Fast 80 Jahre sind vergangen,
seitdem das Ganze angefangen,
der Zahn der Zeit schlug schwere Wunden,
die Mannschaft, sie ist längst verschwunden.
Als Torso stellt der Baum sich dar, 
an Totholz liegt das offenbar,  
ein böser Pilz ist eingedrungen, 
die glatte Rinde aufgesprungen.

Nur einseitig zeigt sich noch Leben, 
der Kreislauf der bestimmt das eben, 
noch ziert ’ne Bank den heil’gen Ort, 
doch die hier lebten, mussten fort. 
Die Kurbank, wie man sie hier nennt, 
wird noch genutzt als Element, der Rentner, 
auch der Wand’rer gar, verweilt hier gerne über’s Jahr.
Doch ein Ersatz ist schon vorhanden,                                            
ein Jahrgang Pate hat gestanden,                    
ein Lindenbaum ziert schon den Raum,        
der Ungeübte merkt das kaum.
Auf einem Schild wird man bald lesen,                 
wie’s an der Kurbank einst gewesen,
wo man sich traf in froher Runde,                    
der Chronik schlägt ab jetzt die Stunde.